Seit dem Einzug in die digitale Mo­dell­bahn­welt hat die Firma Mär­klin einen Rückmelde­bus in ihre Kom­ponenten ein­ge­baut. Die Original Märklin 16-Bit Rück­meldemodule hat­ten damals die Kata­lognummer 6088 „S88 Rück­meldedecoder“. Diese Katalog­num­mer wan­delte sich zu einem Namen für das ganze Rück­meldesystem. Es wurde unter diesem Namen bald auch von an­de­­ren Modell­bahn­her­stel­lern über­nom­men.
Das Prinzip dieses betagten Rück­mel­de­bus­ses ist genial einfach und lässt sich mit wenigen CMOS Kom­ponenten relativ einfach und skaliert nachbauen (siehe Beitrag „S88 Klassiker“). Prinzipiell be­steht es aus einer Kette von Schie­be­­re­gis­­ter­bau­stei­nen, die je­weils 4 oder 8 Bit Statusinformationen von den Mo­dell­bahn­­rück­­mel­dern parallel einlesen und speichern können. Das Kommando zum ge­meinsamen Einlesen und Speichern kommt von der S88 Zentrale und heißt S88_LOAD und wird von allen Bau­stei­nen zeitgleich durch­geführt. Jetzt stehen alle ak­tuellen S88 In­for­ma­tionen in den CMOS CD4014 Bausteinen sau­ber auf­ge­reiht zum Abholen bereit. Die Zentrale schickt nun allen Bau­­stei­nen einen Im­puls, den S88_CLOCK Im­puls. Der be­wirkt, dass die aufgereihten In­for­ma­tio­nen über alle Bau­stei­ne hinweg um eine Stelle in Rich­tung Zentrale verschoben werden. Am ersten Schie­be­re­gis­ter­bau­stein steht da­mit bei jedem Clock Impuls das nächste Bit der S88 Daten auf der Datenleitung S88_DATA_OUT an. Damit ist es für die Zentrale les­bar. Das Spiel mit dem S88_CLOCK Impuls wie­der­holt sich so lange, bis die Zentrale alle In­for­ma­tio­nen gelesen hat.
Da das Durch­takten diese vielen (bis zu 512) Bit-Informationen zum Schiebe­re­gis­ter­aus­gang einige Zeit in Anspruch nimmt, kommt die Frage auf, was denn mit Ereignissen passiert, die zwischen Laden und letz­tem Clock Impuls auf­tre­ten? Werden kurze Ereignisse, wie das schnel­le Überfahren eines Kontakt- oder Schaltgleises überhaupt registriert? Die Antwort lautet: Ja! Es gibt einen Zwi­schen­spei­cher, der diese Er­eignisse au­tark festhält. Dieser Speicher besteht aus CD4044 CMOS Bausteinen. Jeder dieser Bausteine enthält 4 JK Flipflops (oft auch bi­sta­bi­le Kippstufe genannt), deren Ausgangs­status auf 1 geht und bleibt, wenn der zugehörige Ein­gang (der eigentliche S88 Ein­gang) auf Masse ge­zo­gen wird. Ein noch so kurzer Mas­se­kon­takt reicht zum Setzen der Flipflops aus. Deswegen werden immer alle Er­eig­nis­se erfasst. Mit dem S88_LOAD Signal wird nur der ak­tuel­le Zustand dieser Flip­flops in die Schie­be­re­gis­ter­zellen ko­piert. Danach erst werden alle Flipflops mit ei­nem Reset Impuls S88_RESET zeit­gleich zu­rück­ge­setzt und sind zum Erfassen neu­er Er­eignisse und Zustände bereit.
So kann kein Ereignis „übersehen“ wer­den. Jedes, auch noch so kurze Ereignis steht deswegen in der Zentrale für min­des­tens einen S88 Zy­klus (die Zeit zwi­schen 2 LOADs) an. Nach­ste­hend ist das Prinzip­schalt­bild eines 16 Bit S88 Bau­steins dargestellt.

Abbildung 1 – Die oberen 4 Bausteine speichern den Eingangszustand von je 4 S88 Eingängen. Die unteren beiden Bausteine sind die Schieberegister CD4014, die bei „LOAD“ die Inhalte der 4044 Speicherbausteine übernehmen. Bei jedem „CLOCK“ Impuls werden die Informationen nach rechts in Richtung Zentrale geschoben. Von links rücken die Informationen der nachgelagerten S88 Module über DATA_IN nach.

Obwohl das System mittlerweile tech­no­lo­gisch bes­sere Kon­kur­ren­ten hat, ist es weit ver­brei­tet und auf den meisten Digi­talzentralen di­rekt oder auch indirekt ver­füg­bar.
Warum sollte man S88 überhaupt noch verwenden oder weiter­ver­wen­den?

Vorteile S88

  • Preisgünstige und robuste Kom­po­nen­ten, vielfach noch vor­han­den aus früheren Anlagen. Sie sind mit der aktuellen Technik immer noch kom­pa­tibel.
  • Die S88 Bausteine werden von vielen Herstellern in diversen Ausprägungen (Masse-Sensor, Strom­sen­sor, Span­­nungs­sensor, RFID-Sensor) an­ge­bo­ten.
  • Die überwiegende Mehrzahl der Zen­tralen hat eine S88 Schnittstelle direkt on Board. Bei vielen kann das Interface nach­ge­rüs­tet werden.
  • Auch für den PC gibt es Schnitt­stel­len (S88 Zentralen) auf der Basis USB oder RS232.
  • Der S88 Bus ist sehr schnell. Es wer­den bis zu 10000 Rück­mel­de­in­for­ma­tio­nen pro Se­kun­de über­mittelt, meist mehr als PC-Software und Zentrale verarbeiten können.

Aber wo liegen die Nachteile?


Nachteile

  • S88 ist ein Schieberegister, das aus 1 bis 32 16-Bit Rück­mel­de­modulen be­steht, die unter­ein­an­der linear mit Ka­beln ver­ket­tet sind. Eine andere als diese lineare Struktur ist tech­nisch nicht möglich (keine Baumstruktur, keine Sternstruktur, kei­ne Stich­lei­tun­gen) oder erfordert zusätzliche Elek­tro­nik.
  • Die Rückmeldebits (1 – 512) werden in der Zentrale lückenlos durch­num­me­riert. Lässt man ein Rück­mel­de­mo­dul weg, dann verschieben sich die Adressen der nachfolgenden Rück­melder um 16 nach unten. Fügt man irgendwo in der Kette ein S88 Modul ein, dann werden alle nach­fol­gen­den Rückmeldeadressen um 16 erhöht.
  • Das ursprüngliche Märklin S88 Sys­tem ver­wendete Flachbandkabel mit Buchsen­leis­ten (Stecker) im 2,54 mm Ras­ter­ab­stand (6-polig). Manche Nach­­bau­ten verwenden nicht ge­schirmte Rund­ka­bel mit gleichem Steckertyp. Auch die RJ12 Modul­stecker, die im o.g. Nachbau ver­wendet wurden, ver­bin­den die Mo­du­le über eine nicht geschirmte Flach­band­leitung. Diese ältere Stecker- und Kabel­typen kom­men aktuell immer noch häufig vor, sie verhalten sich wie Antennen und reagieren deswegen re­la­tiv empfindlich auf elek­tro­mag­ne­tische Stö­run­gen.
  • Die S88 Module setzen Standard CMOS Technologie ein und haben kei­ne Leitungstreiber. Das Ganze ist auf geringem Strom­ver­brauch aus­ge­legt und die Eingänge sind alle relativ hoch­ohm­ig, nicht abgeschlossen und entsprechend stör­em­pfind­lich
  • Das System ist nicht fehlertolerant oder prüft die ein­ge­hen­den Daten auf Richtigkeit. Ein S88 System verfügt nicht über ein entsprechendes Pro­to­koll.
  • Die räumliche Ausdehnung eines S88 Systems ist auf wenige Meter be­grenzt. Aber nicht jeder baut eine Schauanlage mit mehr als 100 m Aus­deh­nung.
  • Die Staffelung der S88 Module mit 16 Rückmelde-Eingängen (seltener mit 8 Eingängen) passt weniger gut zum Bedarf bei einfachen Gleismodulen. Es werden nicht benutzte Eingänge „verschwendet“.

Wie kann man die erwähnten Störungen reduzieren oder ver­mei­den?

Problemlösungen für S88

  • Verwendung von geschirmten Netz­werk-Patchkabeln zum Verbinden der S88 Module. Ver­wendung von RJ45 Steckern auf den Modulen.
  • Versorgung mit 12 VDC statt der ur­sprüng­lichen 5V zur Er­höhung des Störabstandes. Die herkömmlichen Standard-S88-Module sind aufgrund der Verwendung von Standard CMOS Bausteinen bereits für diese höhere Spannung ge­eignet. An­de­re als CMOS basierte Original S88 Module und deren Nach­bauten sind eher nicht 12 V kompatibel.
  • Saubere Modellbahnverkabelung: Schienen, Relais, Wei­chen­spulen und deren Zuleitungen sind von den Signalleitungen (S88 Bus Kabel und Sensorleitungen) fernzuhalten.

Wie man darüber hinaus S88 Module mit freier Adressierung und mit beliebiger Verkabelungs­struktur oder auch adres­sier­ba­re Köpfe für Original S88 Module selber bauen kann, finden Sie an anderer Stelle hier im Modellbahn-Blog.


Mehr Information zu S88

© 2005 – 2022 Gerard Clemens – letzte Aktualisierung 20.10.2022