Um zu zeigen, wie der Umbau einer analogen Gleichstromlok in eine digitale DCC Lokomotive, d. h. der Einbau eines Decoders, vonstattengeht, habe ich den Prozess anhand meiner Roco V60 dokumentiert. Die Lok hatte ich vor Jahren gebraucht über Ebay zu einem günstigen Preis erstanden. Deswegen war die Hemmschwelle etwas niedriger, sie zu zerlegen und umzubauen. Sollte dabei was schiefgehen, wäre der finanzielle Verlust zu verkraften gewesen. Die Lok hatte 2003 noch keine Schnittstelle, in die man einfach einen Decoder hätte einstecken können. Auch war damals in keiner Lok ein Platz für einen Decoder vorgesehen.
Zunächst wurde im analogen Betrieb der Strom gemessen, den die Lok bei voller Spannung und blockierten Rädern zieht. Die Lok fest auf die Schienen drücken und den Regler dabei aufdrehen, das macht man natürlich nur ganz, ganz kurz, um keinen Schaden anzurichten. Bei meiner V60 waren das weniger als 800 mA. So beschloss ich, einen damals (März 2003) aktuellen CT-Elektronik Decoder vom Type DCX 70 einzubauen. Das war ein Decoder, der sowohl für kleinere H0 als für N-Fahrzeuge geeignet ist. Der maximale Motor-Dauerstrom des Decoders beträgt 800 mA. Einen kurzzeitigen Spitzenbedarf kann er mit 2 A abdecken. Von den Abmessungen her müsste er mit 19 x 11 x 4,5 mm auch noch in der V60 Platz finden. Andere Kriterien bei der Auswahl waren auch die vielen Funktionsausgänge und die Möglichkeit, mit diesem Decoder digitale Kupplungen ansteuern zu können. Möglichkeiten, die ich dann später doch nicht genutzt habe. Würde ich heute einen DCC Decoder einbauen, würde ich auf jeden Fall einen Decoder mit RailCom Support einbauen.
Nachdem der Decoder eingetroffen war, wurde die V60 zerlegt. Nur 2 Schrauben auf der Unterseite der Lok halten das Gehäuse auf dem Fahrgestell. Eine 3. Kreuzschlitzschraube hält den zylindrischen Motor auf das Fahrgestell. Wenn der Motor abgenommen ist, löst sich die Platine mit den Radschleifern und der Beleuchtung automatisch. Nun folgt der erste Eingriff. Die beiden quer liegenden kleine Drosseln in den Motorleitungen, der Kondensator und die beiden Dioden für die Beleuchtung werden mit einem Lötkolben von der Platine gelöst. Diese Komponenten werden nicht mehr benötigt.
Bei dieser Gelegenheit werden die Radschleifer gleich gereinigt. Noch ist nicht klar, wo denn nun der Decoder hin soll. Das Gehäuse der Lok ist bis aufs Führerhaus mit einem Zink-Druckgussteil aufgefüllt. Durch Spreizen der Führerhausseitenwände schaffe ich es, den Beschwerungsblock aus dem Gehäuse zu lösen. Oben auf dem Block sitzt ein einsamer beinamputierter Lokführer, der samt Führerstand auf dem Block aufgesteckt ist.
Unter der Führerstandsnachbildung könnte ausreichend Platz für den Decoder sein. Ganz zufrieden bin ich aber mit der Lösung nicht. Es ist immer besser, den Decoder auf das Fahrgestell aufzubauen, damit man die Lok später noch mal demontieren kann, ohne sämtliche Decoderleitungen abzulöten. Dann kommt mir die Idee, einen Durchbruch in den Block zu fräsen, durch den ich den Decoder stecken kann. Der Decoder würde oben auf dem Block liegen und bei Demontage der Lok könnte er durch den Durchbruch nach unten herausgezogen werden, ohne die Leitungen zu lösen.
Als der Durchbruch fertig war, stellte ich fest, dass das Getriebe der Lok mit dem Decoder kollidiert. Zunächst wurde also die Kunststoffklammer entfernt, die die Schnecke in ihrer Position hält, dann der Metallbock mit Papier ausgefüllt, um zu vermeiden, dass beim Feilen Späne in das Getriebe geraten. Da nun auch die Kunststoffklammer nicht mehr passt, musste ich aus elastischem Kunststoff eine neue Halterung für die Schnecke konstruieren, die vom Ballastblock an ihre Position gedrückt wird.
Endlich ist es so weit, dass der Decoder probeweise montiert werden kann und die Führerhausnachbildung samt Lokführer in die beiden kleinen Bohrungen des Ballastblockes gesteckt wird. Alles passt perfekt. Das bedeutet, dass der Decoder verlötet werden kann. Die Kabel werden so lang gelassen, dass der Ballastblock bequem vom Fahrgestell gehoben werden kann. Bei der Montage werden die Drähte seitlich vom Motor im Freiraum zwischen Fahrgestell und Ballastblock „verstaut“.
In der nächsten halben Stunde ist alles soweit fertig und kann die Lok (noch ohne Gehäuse) auf das Programmiergleis gestellt werden. Der erste Test ist immer das Auslesen der CV1 (Configuration Variable 1). Wenn sich der Decoder mit der Adresse 3 meldet, gibt es schon mal keinen Kurzschluss und sind zumindest die 4 Hauptleitungen (rot, schwarz, orange und grau) richtig verdrahtet. Der nächste Versuch ist dann schon auf der normalen Strecke. Mit der Adresse 3 wird probiert, ob die Lok fährt und ob die Funktionen gehen. Bei dieser Lok habe ich nur die weiße Stirn- und Heckbeleuchtung angeschlossen. Sie funktioniert in Abhängigkeit der Fahrrichtung, also ist alles ok. Damit es schön hell wird, wird die blaue Decoderleitung (+Spannung) als Gemeinsamer benutzt. Nun geht es zurück auf das Programmiergleis, um alle Parameter endgültig einzustellen. Vor der endgültigen Montage erfolgt eine letzte Fahrt „oben ohne“ auf der normalen Strecke und wenn das auch OK ist, wird das Gehäuse montiert. Geschafft! Das waren mit Denken, Fräsen, Getriebe anpassen, Ab- und Anlöten und Programmieren gute 3 Stunden Arbeit, die sich lohnen.
Da noch 2 verstärkte Funktionsausgänge übrig sind, wäre es denkbar noch eine Führerhausbeleuchtung (gelbe/ weiße LED) oder mit einer roten LED eine Schlussbeleuchtung anzubringen. Wegen der fragilen Lichtwellenleiter habe ich auf die letzte Möglichkeit verzichtet.
Der Umbau Schritt für Schritt:
- Lok zerlegen, Motor abnehmen und Platine entfernen, Führerhausnachbildung vom Ballastblock abziehen
- Beide Dioden, beide Drosseln und den Kondensator von der Platine entfernen.
- Die Leiterbahnen zu den Lampen jeweils kurz hinter der Niet auftrennen. (Ein Pol der Lampen wird mit der +Versorgung des Decoders verbunden, deswegen müssen die Verbindungen zu den Radschleifern getrennt werden)
- Eine Aussparung in den Ballastblock fräsen, um den Decoder aufzunehmen. Der Decoder muss nach unten durch die Aussparung passen.
- Die Klammer des Getriebes entfernen, das Getriebe so weit abfeilen, dass es nicht mehr mit dem Decoder kollidiert und eine Ersatzklammer bauen, die die Schneckenwelle mit den beiden Bronzelagern an der richtigen Stelle hält.
- Decoder probeweise samt Ballastblock montieren
- Decoder nun ohne Ballastblock an die Platine anlöten und die Verdrahtung noch mal auf Kurzschlüsse kontrollieren
- Ballastblock lose aufsetzen und Lok auf dem Programmiergleis testen
- Ist die Lok ok (Adresse 3 wird angezeigt), dann die Funktionen des Motors und der Beleuchtung auf dem Hauptgleis probieren
- Endgültige Programmierung und Montage des Gehäuses (wird über den Ballastblock geclipst)
Anmerkungen 2020:
Dieser Umbau wurde bereits 2003 gemacht. Einiges würde man heute anders machen. Aber aufgrund des Baujahrs der V60 ist die Beleuchtung noch mit Glühbirnchen statt LED realisiert worden. Sie hat keine Schnittstelle und deswegen wurde ein bedrahteter Decoder ohne Stecker direkt eingelötet. Es gab keinen Platz für einen Decoder. Deswegen wurde der Ballastkörper ausgefräst und der Rahmen befeilt.
© 2003 – 2023 Gerard Clemens – letzte Aktualisierung 30.07.2023
18. November 2024 um 14:23 Uhr
Hallo gclemens,
einen Hinweis im Internet, einen Decoder unter die Kardanwelle zu montieren, habe ich verfolgt und umgesetzt.
Es handelt sich um einen ESU Lokpilot micro, den ich mit dünnem doppelseitigen Klebeband unter die Kardanwelle auf die von den Drosseln befreite Platine geklebt habe.
Die nötigen Leitungen habe ich direkt an den Decoder gelötet.
So kann man das Gehäuse unabhängig vomDecoder abheben.
19. Februar 2024 um 19:39 Uhr
Hallo gclemens,
Vielen Dank für deinen ausführlichen Umbaubericht. Auch 21 Jahre später gibt es noch Nachahmer wie mich die ihre V60 aus ihrer Jugendzeit nun endlich mal digitalisieren wollen…