Standard S88 absolut adressiert

Obwohl die Anwendung von S88 für die Rückmeldungen im Mo­dell­­bahn­be­reich sehr einfach ist, sind einige Nach­teile nicht zu ver­mei­den. Besonders die oft gepriesene „automati­sche Adres­sie­rung“ erweist sich bei An­la­gen­er­wei­te­run­gen und Umbauten eher als Nachteil. Fügt man in das lineare S88 System ein Modul ein, verschieben sich die Adressen aller nach­fol­genden Modu­le. Hängt man das neue S88 Modul ein­fach ans Ende der Kette, sind lange We­ge im S88 Kabel oder in der Verdrahtung zum S88 Modul die Folge. Wie wir auch im Beitrag „S88 neu adres­siert“ gesehen haben, erhöht das die Stör­em­pfind­lich­keit des Sys­tems. Mo­dulanlagen mit vari­ablem Aufbau sind mit Standard S88 nur müh­sam zu rea­li­sie­ren. Für den automa­ti­schen Betrieb eines neuen Ar­ran­ge­ments müssten alle Rück­melde­adres­sen den neuen Ge­ge­ben­heiten angepasst werden. Mit dem hier vorgestellten Kopf­modul AKS88NB er­halten einzelne S88 Module oder Gruppen von Stan­dard S88 Modulen feste Adressen. AKS88NB steht für Adres­sier­barer Kopf für S88 mit Netz­werk­kabel und DatenBus. Weitere Vor­tei­le dieses Kopfmoduls sind die höhere Stör­festigkeit durch die Verwendung eines nieder­ohmigen Da­ten­bus und die frei wählbare Kabeltopologie, die zu kür­zeren Kabeln und weniger Verdrahtung führt. Bei Modulanlagen kommt als we­sent­licher Vorteil dazu, dass innerhalb eines Moduls die bisherigen S88 Bau­grup­pen nicht an­ge­fasst werden müssen und dass sich auch an der Anlagen­ver­drah­tung zu diesen Baugruppen nichts ändert. Unter der Vor­aus­set­zung, dass sich die Mo­dell­­bahn­­steu­er­­soft­­ware auch modular kon­fi­gurieren lässt, kann man mit dieser neuen Lösung einfach eine neue Reihung der Module durchführen, ohne alle Rückmelder neu pro­gram­mie­ren oder von der Adresse her ver­schie­ben zu müssen. Ein Beitrag zu diesem Modul erschien in der Zeitschrift „Digi­ta­le Modellbahn“, Ausgabe 2/2018.
Zusammengefasst bietet das neue „AKS88NB“ Modul folgende Eigen­­schaf­ten:

  • Das Modul AKS88NB ist voll kompa­ti­bel mit allen 5V-Zen­tra­len und 5V-S88 Scan­nern.
  • Alle bisherigen Standard S88 Module können ohne Änderung der Verka­be­lung und der Verdrahtung wei­ter­ver­wen­det wer­den.
  • Bis zu 4 Standard S88 (16-Bit) wer­den unterstützt.
  • Programmierbare (Anfangs-)Adresse im Bereich der auf der Zentrale konfigurierten Anzahl von S88 Modulen. Diese Adres­se wird im EEProm des Prozessors null­span­nungs­fest gespeichert.
  • Die Anzahl der nachgelagerten „halben“ Standard S88 Module wird mit den 3 Steckbrücken „1“, „2“ und „4“ definiert.
  • Geringe Anzahl an Komponenten. Der Mi­kro­prozessor ATTiny2313A über­nimmt als einzige aktive Kom­po­nente alle Aufgaben.
  • Der Mikroprozessor wird aus der S88 Schnittstelle der Zentrale mit 5V ver­sorgt. Das Modul ist NICHT 12 V kompatibel!
  • Kann nur mit Netzwerk Patchkabeln angeschlossen werden (ab­ge­schirmt und störsicher).
  • Auf der Seite der Standard S88 Bau­gruppen bietet das Modul eben­falls einen RJ45 Anschluss für die Ver­wen­dung von Netz­werk-Patch­ka­beln. Aber auch die traditionelle 6-polige Stiftleiste für ältere Stan­dard S88 Module ist vorhanden.
  • Unterstützt lineare (wie bisher), Baum- und Bus-Stichleitungs-To­­­po­lo­gien mit han­dels­üb­li­chen RJ45 T-Stü­cken.
  • Eine Reihenfolge von AKS88NB (oder auch RM8S88NB) ist nicht ein­zu­hal­ten.
  • Der Datenbus (S88_DATA) zur Zen­tra­le ist durch den Bipolaren Mikro­pro­zes­sor Port von Hause aus nie­der­ohmig. Sendet gerade keines der NB Module Daten zur Zentrale, wird der Bus mit ein­em Lastwiderstand nie­der­ohm­ig (störsicher) ab­ge­schlos­sen und auf Masse gehalten. Auf einem Modul, normalerweise dem letz­ten Modul, wird dazu auf JP1 eine Steck­brücke platziert.
  • Die AKS88NB Module haben 2 pri­mä­re RJ45 Buchsen. Es gibt kei­ne „DATA-IN“ und „DATA-OUT“ Un­ter­schei­dung wie bei Stan­dard S88 Mo­dulen.
  • Das AKS88NB Modul kann zu­sam­men mit RM8S88NB am glei­chen S88 BUS verwendet werden.

Topologie-Beispiel

Anhand eines Beispiels wird die Verwendung der AKS88NB Mo­dule gezeigt. Eine­ modulare Gleis­­anlage mit einem Bahn­­­hofs­modul, einem Be­triebs­werk-Mo­dul und zwei ein­fachen Gleis­modulen wird mit Standard S88 betrieben. Die Module sind in der Gra­fik durch­num­meriert. 16-Bit Module haben eine Be­zeichnung mit einem „#“ Zeichen. „Halbe“ oder 8-Bit Module ha­ben eine Nummer, mit zwei voran­ge­stell­ten „#“-Zeichen. 

Abbildung 1 – Herkömmliche S88 Module. Adressierung in Abhängigkeit der Reihenfolge im Kabel

Alle S88 Rückmeldebausteine in den Gleis­modulen hängen als Per­len an der Kette im S88 Kabel. Möchte man das Streckenmodul 2 zwischen dem Bahn­hofs­mo­dul und dem Betriebswerk plat­zie­ren, ohne dabei eine Adress­änderung in Kauf zu nehmen, müsste man das S88 Kabel kreuz und quer durch das Ar­ran­ge­ment ziehen, da­mit die ursprüngliche Rei­hen­folge und damit die Adressen ge­währt bleibt. Das führt zu sehr langen S88 Kabeln und damit zu einem weniger zuverlässigen und über­sicht­lichen Rück­mel­de­sys­tem.

Abbildung 2 – Dieselbe Konfiguration mit AKS88NB. Verkabelung mit „Baum“-Topologie und absoluten Adressen.

Wirklich absolute Adressierung, auch der Standard S88, bei völ­liger Frei­heit in der Topologie lässt sich nur unter Zuhilfe­nah­me von adres­sier­ba­ren Köpfen AKS88NB erreichen.


Einstellen der Adressen

Das Einstellen der Anfangs­adres­se eines AKS88NB Kopfes ge­schieht genauso wie bei einem RM8S88NB. Am besten wird ein gra­fi­scher Mo­ni­tor für die Rückmelder ver­wen­det, wie ihn z. B. Win-Digipet oder iTrain zur Verfügung stellt. So hat man die beste Übersicht, um un­ab­hän­gig von der ge­wählten Topologie das Mapping der Rück­melder zu ge­stalten. Für Modell­bahn­programme, die von Hau­se aus einen solchen Mo­ni­tor nicht anbieten, kann man dafür auch alle Rückmelder auf einer Stell­werks­seite anzeigen. Abbildung 3 zeigt, wie das in Rocrail aussehen kann.

Abbildung 3 – So könnte ein Rückmeldemonitor in Rocrail aussehen

Bevor das zu programmierende AKS88NB Modul mit einem Patch­ka­bel se­pa­rat an die Zentrale angeschlossen wird, muss mithilfe der Steck­brü­cken 1, 2 und 4 die Anzahl der an­ge­schlos­senen Stan­dard 8-Bit-Module definiert wer­den. Keine Brücke bedeutet 1 Mo­dul, alle 3 Brücken gesteckt bedeutet, dass 8 Stan­dard 8-Bit Mo­dule bedient werden (ent­spricht 4 16-Bit S88 Module). Ist die An­zahl ein­gestellt (siehe Tabelle 1), wird die Brü­cke JP3 kurz gesteckt und wie­der ent­fernt. Die rote LED leuchtet auf. Im S88 Monitor wird nun die ak­tu­el­le Adres­se (in Binärcode) an der richtigen Stelle an­ge­zeigt. Sind am AKS88NB mehr als 1 Standard S88 Module an­ge­schlossen, wird auch deren Adresse im Monitor angezeigt. Nehmen wir an, Sie haben 3 8-Bit Module an X3 an­ge­schlos­sen und das AKS88NB ist noch nicht konfiguriert. Der in Rocrail von mir programmierte S88 Monitor zeigt nun an:

Abbildung 4 – Drei 8-Bit S88 Module werden bei einem nicht konfigurierten AKS88NB auf Moduladressen ##1, ##2 und ##3 abgebildet.

Um nun die Adresse anzupassen, wird der Taster kurz gedrückt. Die Adres­sen inkrementieren und im Monitor sieht man, dass die drei Module jetzt die Mo­dul­nummern ##2, ##3 und ##4 belegen. Die binäre Dar­stel­lung wird ent­spre­chend angepasst. Man betätigt die Taste nun so oft, bis die Position der Mo­du­le, d. h. die Adresse, kor­rekt ist. Nehmen wir an, Sie wollten das erste halbe Modul auf der Nummer ##6 haben.

Abbildung 5 – Nach 5-maligem Drücken der Taste werden die drei 8-Bit S88 Module auf die Halbmoduladressen ##6 – ##8 abgebildet.

Nach dem 5. Tastendruck werden die 3 Module auf den Halb­mo­dul­adres­sen ##6 bis ##8 abgebildet. Man würde die Rück­mel­der des­we­gen im Mo­dell­bahn­pro­gramm unter den Adressen 41 bis 64 ver­wenden können. Hat man so die ge­wünsch­te Adresse erreicht, wird der Tas­ter erneut be­tä­tigt und so lange gehal­ten, bis die LED er­lischt (nach ca. 6 s.). Die neuen Adressen sind nun fest im EEPROM des RM8S88NB hinterlegt. Das näch­ste AKS88NB Modul kann pro­gram­miert werden. Erreicht man mit dem Tas­ter die maximal mög­liche Adresse, springt die Anzeige wieder auf 1. Um zu ver­mei­­den, dass man bis zu 63 mal drü­cken muss, auch wenn man auf der Zen­trale nur 4 16-Bit Module konfiguriert hat, zählt der AKS88NB die Clockimpulse, die zwischen zwei Loads von der Zen­tra­le kommen, mit und macht daran fest, wann die Adresse wieder auf 1 sprin­gen soll.

124Anzahl „halbe S88“
.1
X2
X3
XX4
X5
XX6
XX7
XXX8
Tabelle 1 – Mit de Steckbrücken 1, 2 und 4 wird die Anzahl Module definiert, die am Eingang X3 eingelesen wird. X = gesteckt, – = nicht gesteckt

Abschlusswiderstand

Die AKS88NB Module verwenden vom S88 Standard außer +5V und Ground nur die S88_LOAD-, die S88_CLOCK- und die S88_DATA-Lei­tung. Die Datenleitung ist allerdings durch­­gehend und wird als Bus­lei­tung betrieben. Erst wenn ein AKS88NB Mo­dul aufgrund der ein­ge­hen­den S88_CLOCK Impulse fest­stellt, dass seine Information nun in Richtung Zen­­tra­le ge­scho­ben werden muss, schaltet es sich auf den Bus und setzt zu den nächsten 8 bis 64 Clock Impulse seine Daten auf die Datenleitung. Die übrige Zeit ist der Ausgang des Mo­duls hoch­ohmig. Um un­de­fi­nier­te Zustände auf der Daten­lei­tung zu vermeiden, wenn gerade kein Modul sen­det, wird der Da­ten­bus mit 330 Ohm nach Masse re­lativ nie­der­ohmig abgeschlossen. Das wird nur an einer Stelle auf einem der AKS88NB oder RM8S88NB Module durch Stecken eines Jumpers auf JP1 gemacht.


Nachbau

Abbildung 6 – Das AKS88NB braucht nur wenige Komponenten

Das Modul verwendet den Atmel 8-Bit AVR Prozessor ATTiny­2313A. Die Software wurde in Atmel Studio 7 in „C++“ erstellt.
Das Layout ist wegen der vielen Verbin­dungen zwischen den 8-poligen Modul­steckern doppelseitig. Bei selbst geätzten Platinen sind mehrere Drahtbrücken auf der Bestückungsseite erforderlich. Baut man auf Loch­ras­ter­pla­ti­ne auf, dann sind die 3 RJ45 Netz­werk­­buchsen der kniffeligste Part beim Zu­sam­men­bau.

Abbildung 7 – Prototyp des AKS88NB auf Lochrasterplatine
Abbildung 8 RJ45 T-Stück

Beim Pro­to­typ auf Loch­ras­ter­pla­ti­ne wur­den auf der Unterseite der Buchsen die schwarzen Rast-Stifte abgeschnitten und die Beinchen 1, 3, 5 und 7 nach links, die Beinchen 2, 4, 6 und 8 entsprechend nach rechts verbogen, sodass sie alle im 2,54 mm Raster liegen. Dann wer­den noch 2 Löcher von 1,2 mm für die beiden Zungen des Blech­schirms gebohrt. Das wird dann dreimal gemacht. Natürlich kann man auch eine der beiden Buchsen auf der S88NB BUS Seite weg­­lassen und dafür einen RJ45 Verteiler (Abbildung 8 – Reichelt WB 3X8-8 SW) für die Ver­bin­dung zum nächsten NB (BUS) Modul ver­wenden.
Nachfolgend stelle ich alle erforderlichen Unterlagen für den nicht-kom­mer­ziel­len Nachbau bereit. Achtung: Alle Angaben ohne Ge­währ. Der Au­tor haftet nicht für Schäden, die durch die Ver­wen­dung die­ser Information entstehen.


Informationen für den Nachbau des AKS88NB Moduls
AKS88NB Schaltplan
AKS88NB Bestückung
AKS88NB Eagle und Gerber Dateien (Zip-File)
AKS88NB Platine bei Seeed bestellen (China)
AKS88NB Stückliste
AKS88NB Reichelt Warenkorb
AKS88NB Firmware (aks88nb.hex, aks88nb.eep und aks88nb.elf vom 1.07.2023)
AKS88NB programmierter Prozessor. Bestellen Sie bei mir formlos per Mail. Geben Sie bitte Ihren Namen und Ihre Anschrift an. Kosten 4,- Euro/Stück + Versand.

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